Was schläft in mir?

Fotografie ist wohl inzwischen so ein Medium der kleinen Form geworden,
und gelegentlich zeigen einzelne Fotokonzepte auch Möglichkeiten dieser
Form zwischen Sprache und Bild, zwischen Medium und Verständnis auf.
Josef Wais hat dies in Was schläft in mir? deutlich gemacht; diese Arbeit  
wurde im Rahmen eines Ausstellungsprojektes gezeigt, das dem fünfzigsten
Jahrestag der Wiener Februarkämpfe gewidmet war. Das Ereignis ist so
abstrakt wie die Bilder von ihm, es berührt nicht mehr weil es nur schmutzig
war: ein Bürgerkrieg, der gegen den Gang der Geschichte nichts ausrichten
konnte, der verloren war ohne angefangen zu haben, der die Bürger selbst
nur wenig anging. Später darüber richten war einfach, und die Bilder waren
das Fallbeil: Illustriertenberichte vermittelten ein Dabeigewesensein ohne
Anteil. Wenn also eine Fotogalerie (es könnte auch jede andere gewesen sein)
einem Ereignis (das könnte auch jedes andere gewesen sein) eine Ausstellung
widmet, schlägt der Mediencharakter von technischer Produktion durch alle
Bilder durch, wird das Dejavu der Erinnerung selbstständig. Um eigene
Betroffenheit zu artikulieren hilft nur der Rückgriff auf die kleine Form; sich
selbst einbringen, im Medienmix mitmischen, aber unter Bewusstheit des
Austauschbaren und wenig Wirkenden.


Rolf Sachsse

Auszug aus dem Text Kunst und Technik in
Fotografie - Kultur jetzt  Heft 37 / 1985


Rolf Sachsse ist Professor für Fotografie an der Fachhochschule Niederrhein
in Krefeld und im Bereich Kunstwissenschaft und Medientheorie an der
Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.    

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